Perleberger Heft Nr. 25

19. 07. 2019

Perleberger Gasthäuser. Orte der Einkehr und Geselligkeit

Was werden die heutigen Teenager in wenigen Jahrzehnten ihren Enkeln aus dem Jahr 2019 berichten? Wo wird sich der Einzelne aufhalten, mit welchen Unternehmungen Freizeit verbringen, soziale Kontakte pflegen? Wie sich das vor 100 Jahren in Perleberg verhielt, berichtet das neue Perleberger Heft mit dem Titel „Perleberger Gasthäuser. Orte der Einkehr und Geselligkeit“.

 

Nach der Arbeit, die vor 100 Jahren auch sonnabends stattfand, boten die Gaststuben Gelegenheiten zum Austausch, zu Versammlung und Geselligkeit. Viele Gaststuben gab es einst im historischen Stadtkern Perleberg. Etliche von ihnen sind verschwunden, wie z.B. „Stadt London“, das „Deutsche Haus“ und „Stadt Berlin“, wenige haben eine lange Geschichte. Schließlich waren sie auch Gründungsorte zahlreicher Vereine, stellt die Autorin Martina Hennies fest. Sie waren „Orte der Gastfreundschaft, der Kommunikation und Mobilität“, wie das Jahresthema der Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen des Landes Brandenburg „Zu Gast in der Mark“ untertitelt ist. Dieses aktuelle Motto war Inspiration, historisches Bildmaterial, welches schon einmal zum Tag des offenen Denkmals in einer Ausstellung in der Rathausgalerie im Jahre 2009 zusammengestellt worden war, mit stadtgeschichtlichem Lesestoff zu ergänzen.

 

Welch unterschiedliche Lebensformen bietet der Blick zurück in das 20. Jahrhundert! Es ist das Jahrhundert, in welchem die Vorfahren durch Namen, Lebensdaten, mitunter alte Fotografien und persönliche Erinnerungen in den meisten Familien konkret und noch gegenwärtig sind, meint M. Hennies. Da die Gewährspersonen als Erinnerungsträger vertraut sind, überdecken und verklären oft individuelle Reflexionen die tatsächlichen allgemeinen Rahmenbedingungen, die in den zurückliegenden hundert Jahren mehrfachen gesellschaftspolitischen und soziokulturellen Brüchen unterworfen waren. Das Heft versucht einen sachlichen Überblick mit Perleberger Beispielen aus den Jahren 1901 und 1925.

 

Zu Beginn des 20. Jh. gab es in Perleberg viele Gasthöfe und Häuser mit Ausschank. Für die in die Stadt mit Pferdewagen zum Einkauf kommende Landbevölkerung gab es "Ausspannungen" mit einer Schankstube, wo man sich aufwärmen und bei einem Bier einen Zeitraum überbrücken konnte und Neuigkeiten austauschte. Etliche Lokale waren deshalb weit weniger noble Speisegaststätten als vielmehr gewissermaßen Aufenthaltsräume, wie die „Ferkelkiste“.

 

Bevölkerungszuwachs, soziale Veränderungen, der Eisenbahnanschluss, zunehmender Geschäftsverkehr sowie der Ausbau der Kasernen änderten diese Situation. So waren immer mehr Handelsvertreter unterwegs zu ihren Kunden und mussten in fremden Orten übernachten. Um 1925 gab es außerdem in Perleberg mehr als 90 Vereine, die zahlreiche Häuser zu ihren Vereinslokalen auserkoren. Hier feierten die Bürger. Durchreisende konnten speisen und in Fremdenzimmern nächtigen. Die Hotels, wie der „Prinz Heinrich“ und Gaststätten wie der „Bürgergarten“ waren im zurückliegenden Jahrhundert gesellschaftliche Mittelpunkte. Baulich entwickelten sich diese mit Tanzsaal, größerer Gaststube mit Schankraum, Küche, nach Geschlechtern getrennten Abortanlagen, Einrichtung von Gästezimmern im Obergeschoss.

 

Die Beschäftigung mit dem Thema Gasthäuser hat Konkretes erbracht: Zwar hielt sich Theodor Fontane nicht in Perleberg auf, aber Joseph von Eichendorff übernachtete am 24.9.1805 hier. Am 6.8.1914 benannte Inhaber Wilhelm Hoffmann das Hotel „Stadt London“ in „Hoffmanns Hotel“ um. Graf Luckner logierte am 24.5.1923 in „Gröblers Hotel“.

 

In eben diesem gründete sich am 19.3.1927 die Baugenossenschaft mit 37 Mitgliedern. Zu den älteren Vereinen zählte der Konsumverein, welcher am 19.3.1893 in einem Perleberger Lokal gegründet wurde und 160 Mitglieder hatte.

 

Jeder wird Erinnerungen besonderer Art an Gaststätten in Perleberg haben, wo man besonders schön feierte, die große Liebe traf, Tanzveranstaltungen besuchte, mit Kumpels an einem Tisch bis in die Nacht saß, auf politischen Versammlungen aushielt, Abo-Essen bekam, placiert oder gar nicht bedient wurde, Familien- oder Betriebsfeste feierte, zufrieden mit dem Essen oder unzufrieden mit dem Service und der Rechnung war...

 

Die Gäste kommen auch heute nicht von allein, wie u.a. die Kampagne „Brandenburger Gastlichkeit“ von der DEHOGA und die Aktion Perleberger Gastwirte „Perleberger Kneipennacht“ verdeutlichen. Inzwischen vermittelt auch eine kulinarische Weltreise durch die Köstlichkeiten aus dem arabischen, asiatischen und Mittelmeerraum, dass Perleberger Gaststätten Tradition und Internationalität gleichermaßen verkörpern.

 

Das Perleberger Heft ist in der Stadtinformation erhältlich und kostet 2,50 €.

 

Bild zur Meldung: Dr.W.Hennies | Deutsches Haus im Juli 2015 (890)

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